Es war ein Skandal, der schon seit Wochen die deutschsprachige und ägyptische Presse mit Schlagzeilen füttert. Die beiden Experimentalarchäologen Stefan Erdmann und Dominique Görlitz sollen in der Cheops-Pyramide Proben entnommen und illegal aus Ägypten nach Deutschland geschafft haben. Während sowohl in Ägypten als auch in Deutschland Verfahren gegen die beiden laufen, sollen die Proben nun an Ägypten zurückgegeben werden.
Am heutigen Freitag hat die ägyptische Botschaft in Berlin die Probe in Empfang genommen. Der Antikenminister Mamdouh el-Damaty begrüßte die Bemühungen der ägyptischen Botschaft in Deutschland, speziell die des Botschafters Dr. Mohamed Hegazy, genauso wie die Kooperationsbereitschaft der deutschen Regierung, insbesondere von Sachsens Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst Sabine von Schorlemer.
So viel zu den Neuigkeiten. Unter dem Titel „Riskantes Pyramidenspiel“ hat die Wiener Zeitung noch mal eine interessante Zusammenfassung der Ereignisse veröffentlicht, die ich euch nicht vorenthalten möchte, da sie auch für mich einiges Neues bereithielt.
Esoteriker, Privatleute und Fernsehteams gingen ein und aus
In dem Artikel der studierten Kultur- und Sozialanthropologin Liza Ulitzka wird insbesondere die Rolle von Zahi Hawass scharf kritisiert, der unter seiner „Herrschaft“ willkürlich Genehmigungen verteilt hat. Private Gruppen konnte mit dem entsprechenden Kleingeld in die eigentlich für die Öffentlichkeit gesperrten Bereiche in der Cheops-Pyramide gelangen. Esoteriker, Privatleute und Fernsehteams sollen in der Vergangenheit dort ein- und ausgegangen sein.
Die Pyramide 2 Stunden für sich allein
Diese Praxis hat sich auch nach Zahi Hawass unfreiwilligen Rücktritt bis heute erhalten. Der Reiseleiter Osama Karar bestätigt in der Wiener Zeitung, er habe schon öfters Reisegruppen in ansonsten gesperrte Bereiche der Cheops-Pyramide begleitet. Dafür bedarf es alleine einer Privatgenehmigung für die Pyramide. Welche Räume mit dieser Genehmigung besichtigen werden dürfen, steht da nicht. Die Pyramide gehört einem entweder in aller Frühe oder am Nachmittag für 2 Stunden ganz allein, berichtet Karar. Im Prinzip kann dort also jeder für 2 Stunden tun und lassen was er möchte.
Mit einer Leiter in die Entlastungskammer blicken
Mit Hilfe einer zusätzlich zu beantragenden Leiter konnte Schwindelfreie einen Blick in die 8m höher gelegende Entlastungskammer erhaschen. Diese sollte eigentlich nach jedem Besuch wieder in ein Lager zurückgebracht werden. Irgendwann stand sie aber immer da und mit entsprechenden Bakschisch konnte jeder die Entlastungskammern sehen, erzählt Karar. Die Leiter sei aber nach dem Cheops-Pyramiden-Fall wieder verschwunden. Karar soll es auch gewesen sein, der nach Sichtung des Trailers für Görlitz‘ und Erdmanns Dokumentation den Stein ins Rollen gebracht hatte.
Auch Erdmann ging mit Zahi Hawass Genehmigung dort ein und aus
Zu denjenigen die ein- und ausgingen, gehörte auch Stefan Erdmann, der von 2005 – 2007 etliche Gesteinsproben von der Cheops-Pyramide und anderen antiken Stätten genommen hat. Zahi Hawass soll persönlich davon gewusst haben und sogar mit ihm über seine Analysen gesprochen haben.
Erdmann und Görlitz bestreiten aber bis heute Proben von der Cheops-Kartsuche entnommen zu haben. Eine ägyptische Delegation begutachtete den Schaden der Kartusche und entdeckte tatsächlich Meißelspuren, woraufhin es zur Anklage kam.
Hawass‘ Anschuldigungen
Nun mischte sich auch Zahi Hawass ein und beschuldigte den Pyramidenforscher Robert Bauval gemeinsame Sache mit den beiden Deutschen zu machen. Sie sollten in seinem Auftrag beweisen, dass die Pyramiden vor 15 000 Jahren von Juden erbaut wurden. Doch Bauval konnte glaubhaft belegen, dass er nichts mit den beiden zu tun hatte.
Von wem stammen die Meißelspuren?
Doch Bauval begann, Beweise für die Unschuld der beiden zu suchen. Er verglich verschiedene Aufnahmen von der Kartusche und stellte auf Fotos des amerikanischen Geologen Robert Schoch fest, dass die von den Inspektoren gefunden Meißelspuren bereits im Dezember 2006 vorhanden waren. Er konnte sogar in Zahi Hawass Dokuserie „Chasing Mummies“ aus dem Jahr 2010 eine Filmaufnahme mit der Kartusche ausmachen, auf der die Meißelspuren eindeutig zu sehen waren. Die Folge wurde laut der Wiener Zeitung inzwischen aus dem Internet genommen.
In einer im Juli 2004 gedrehten Dokumentation des History Channels „Digging for the Truth – Who built Egypt’s Pyramids?“ ist die Kartusche noch intakt.
Die Spuren müssen also irgendwann zwischen Juli 2004 und Dezember 2006 unter Hawass Herrschaft passiert sein. Das würde auch erklären, warum Hawass so erpicht darauf ist, den beiden Deutschen die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Bauval schickte seine Ergebnisse 2014 zu dem damaligen Antikenminster Mohamed Ibrahim, der auch eine erneute Untersuchung einleitete. Doch diese wurde aus bisher unbekannten Gründen gestoppt. Die Bitte der Wiener Zeitung um Stellungnahme des neuen Antikenministers Mamdouh el-Damaty und Zahi Hawass blieben beide unbeantwortet. Laut einem heutigen Bericht in der Ahram Online will el-Damaty aber weiter gegen die beiden Deutschen vorgehen und eine internationale Klage einleiten.
Wie glaubwürdig sind Erdmann und Görlitz?
Einer der strittigsten Punkte unter Ägyptologen und Hobby-Archäologen ist die Frage nach dem Alter der Cheops-Kartusche. Sie ist in roter Farbe wie ein Graffiti auf die Wand gemalt und steht dabei im krassen Gegensatz zu den fein herausgearbeiten Königskartuschen, die sonst auf Tempelwänden und -gräbern zu finden sind. Stefan Erdmann greift in seinen Büchern verschiedene Theorien von Pseudowissenschaftlern auf, wie die Große Pyramide als Wasserkraftwerk, die Atlantis-Theorie – und auch dass die Cheops-Kartusche eine Fälschung ist. Und obwohl der Titel eines Trailers lautet „War der Pharao Cheops wirklich der Erbauer der Pyramiden?“ streiten Erdman und Görlitz in einem Gespräch mit der Wiener Zeitung derartige Theorien ab.
„Bei einer ersten Forschungsreise mit unserem Filmteam konnten bereits Materialproben der Kartusche entnommen werden“
Ein weiterer Knackpunkt bei der Glaubwürdigkeit der beiden ist die Vorstellung ihres Projektes auf einem Kongress in Lennestadt im Jahr 2013 (vor der Entnahme der Probe). Hier stellt Erdmann die Frage, warum bisher noch keiner auf die Idee gekommen ist, eine Probe der Kartusche zu entnehmen. Unter dem Trailer wurde zudem die Werbetrommel für ein Crowdfunding-Projekt gerüttelt, dass für die Finanzierung der Dokumentation sorgen sollte und von vielen Internetseiten auf deutsch und englisch so übernommen wurde:“…Drehte es sich bei der Frage der Echtheit der Kartusche bisher lediglich um die korrekte Schreibweise des Namenszuges von Cheops, haben es sich Dr. Dominique Görlitz (bekannt aus den Abora Expeditionen nach dem Vorbild Thor Heyerdahls) und Buchautor Stefan Erdmann zur Aufgabe gemacht, die Echtheit der Kartusche auf Basis neuester Untersuchungs- und Datierungsmethoden zu bestimmen. Bei einer ersten Forschungsreise mit unserem Filmteam konnten bereits Materialproben der Kartusche entnommen werden, welche nun von einem renommierten Institut für Laboranalytik in Deutschland auf Auswertung warten…“. (In dem Trailer war meines Wissens auch eine Stimme aus dem Off zu hören, die von einer Probenentnahme der Kartusche sprach)
Arbeitsproben neben der Kartusche
Doch Görlitz behauptet, dass dies ein „fachlicher Fehler“ seines Produzenten Frank Höfers gewesen sei und bleibt dabei, keine Probe der Kartusche genommen zu haben. Er hätte in der 5. Entlastungskammer NEBEN der Kartusche Arbeitsproben von einer anderen roten Beschriftung entnommen, so Görlitz Behauptung. Warum er gerade dort eine Probe entnommen haben soll, wo es doch etliche dieser roten Graffiti in jeder Entlastungskammer gibt und was sich Görlitz von der Probenentnahme eines roten Graffitis erhoffte, bleibt sein Geheimnis. „Hatte er die echte Kartusche verfehlt oder wollten sie vielleicht Referenzproben nehmen?“ fragt die Wiener Zeitung.
Die Zweifel Robert Bauvals
Auch Robert Bauval packen auf seinem Blog mittlerweile die Zweifel. Er glaubt weiterhin an die Unschuld Görlitz, der ihm gegenüber aussagte, er hätte die Probenentnahme einer roten Schrift 1,5m neben der Cheops-Kartusche vorgenommen. Aber was tat Erdmann als er in den Jahren zuvor mehrfach die Cheops-Pyramide besuchen konnte? Was ist mit dem Corwdfunding-Text, in dem eindeutig steht, dass eine Probe der Cheops-Pyramide schon entnommen wurde. Kann dem Produzenten Frank Höfer ein derartiger Schnitzer unterlaufen?
Erdmann gab zu, auch im Jahr 2006 drei Proben entnommen zu haben, doch er streitet weiterhin ab, sie aus der Cheops-Kartusche entnommen zu haben.
Der Cheops-Pyramiden-Fall bleibt weiter nebulös.
Quellen:
Liza Ulitzka in der Wiener Zeitung
Robert Bauvals Blog